Auch der dritte Tag startete wieder ohne Frühstück. Ich wollte eigentlich zur Bäckerei, welche sich quasi direkt neben dem Hotel befand. Aber auch diese hatte um 6 Uhr in der Früh noch nicht auf. Also aß ich eine Tüte Gummibärchen. Ach hätte ich, wie am Vortag, nur ein paar Kekse gehabt. Diesmal schaffte ich es aber immerhin, das Hotel vor dem Verlassen zu bezahlen.
Der Weg vom Hotel bis zu meinem eigentlichen Track ist nicht weit. Schnell war ich wieder an meinem Kanal vom Vortag. Im Unterschied zum Vortag fuhr ich aber nicht wieder die ganze Zeit am Kanal entlang. Stattdessen wechselte ich ständig zwischen Kanal und dem Fluss Doubs hin und her. Landschaftlich entsprach die Strecke genau meinen Erwartungen vom Vorabend. Enge Täler, Berge links und rechts, viele schroffe Felsen. Und ich musste so gut wie keine Höhenmeter machen, da ich immer dem Wasser folgte. Einer der schönsten Abschnitte meiner Rundtour.
Das erste bemerkenswerte Bauwerk am Kanal befand sich in Besancon. Dort führte der Kanal direkt unter der Zitadelle durch den Berg. Ein sechs Meter breiter Tunnel, der für Schiffe als Einbahnstraße passierbar ist. Durch den gleichen Tunnel führte auch ein Radweg. Diesen probierte ich natürlich aus und sparte mir dadurch eine Flussschleife. Interessant fand ich das „Ampelkonzept“ für die Schiffe. Um sicherzugehen das Schiffe nur von einer Seite in den Kanal fuhren, wurde auf der gegenüberliegenden Seite ein Wasservorhang aktiviert. Von weiten sah es so aus, als würden die Schiffe aus einem Wasserfall herausfahren.
Gegen Mittag erreichte ich Dole. Ebenso wie am Vortag wollte ich mir was zum Essen suchen und entscheiden in welchem Hotel ich die Nacht verbringen würde. Aber auch hier lag direkt am Track nichts. Also fuhr ich auf gut Glück in die Stadt. Auf Ortskenntnisse konnte ich diesmal nicht zurück greifen. Was ich fand machte mich glücklich und unglücklich zugleich. Zum einen war ich in einer wunderschönen Altstadt und auf der anderen Seite waren die Straßenverhältnisse katastrophal. Kopfsteinpflaster und das auch noch steil bergauf.
In einer kleinen, sehr steilen Gasse fand ich einen Dönerimbiss. Da ich in der Gasse keine Möglichkeit fand mein Rad abzustellen, ohne das es bergab rollen würde, suchte ich weiter. Einen weiteren Imbiss fand ich aber nicht. Also fuhr ich zurück und versuchte den Inhaber davon zu überzeugen das ich mein Rad halb in den Laden stellen durfte. Dies klappte allerdings erst, nachdem ein zufällig anwesender Passant mir half. Er übersetze mein Englisch netterweise in Französisch.
So konnte ich dann dort bleiben. Probierte den französischen Döner, der mich so gar nicht überzeugte. Wenig Gemüse, viel fettes Fleisch. Die Pommes dazu waren allerdings sehr gut. Die Suche nach einem geeignetem Hotel war weniger kompliziert. Ich entschied mich bis nach Pont-de-Vaux zu fahren. Damit sollte ich am dritten Tag bis kurz vor Lyon kommen.
Kurz nach der Mittagspause verließ ich die Doubs. Mein Zwischenziel war Saint Jean de Losne. Eine Kleinstadt an der Saône. Nach einem kurzen Abschnitt über kleinere Landstraßen war ich auch schon wieder an meinem mittlerweile liebgewonnenen Rhein-Rhône-Kanal. Diesmal allerdings nur kurz, jedoch auf einem der schönsten Abschnitte.
Aus Saint Jean de Losne schickte ich an meine Arbeitskollegen ein kurzes Lebenszeichen. Ich wusste ja, das zumindest Einer ganz genau schaute, wo ich gerade so war. Es folgte der anstrengendste Teil des Tages, der mir auch nur wenig Spaß machte. Meine Strecke führte mich rund 40km in Richtung Südwesten. Eigentlich folgte ich der Saône flussabwärts. Da ich dort allerdings keinen geeigneten Radweg fand, fuhr ich über Landstraßen. Den Fluss konnte ich gar nicht sehen. Traf allerdings auf halber Strecke wieder auf die Doubs. Da ich die Planung nicht mehr genau im Kopf hatte, fühlte es sich so an als ob ich im Kreis fahren würde. Zusätzlich zu dem Gegenwind … nicht gerade der Motivationstreiber.
Und damit auch noch nicht genug. Ein älterer Rennradfahrer setzte sich in meinen Windschatten. Ich ärgerte mich darüber, das er ohne Gepäck mir einfach so hinterher fuhr. Aber vielleicht war das so auch ganz gut. Dadurch das ich mich ärgerte fuhr ich etwas schneller und war damit früher in Chalon-sur-Saône. Meinem nächsten Pausenpunkt. Eigentlich. Denn am Himmel war eine dicke fette Regenwolke zu sehen. So das man den Regen darunter sehen konnte. Da mein Track ab Chalon-sur-Saône nur noch nach Süden führen sollte, hatte ich Hoffnung dem Regengebiet ausweichen zu können. Also fuhr ich durch. Das neue Ziel: Möglichst schnell in Richtung Süden.
Nach einigen weiteren Kilometern war ich mir sicher, es geschafft zu haben. Ich konnte die Regenstrippen hinter mir sehen und westlich von mir sah es gut aus. Ich hielt für eine kurze Pause an. Direkt neben einem Maisfeld. Ich bediente mich und aß einen Kolben. Was ich während der Pause noch nicht wusste: Dies war der Startpunkt für eine zufällige Begegnung.
Als ich weiter fuhr war der Himmel westlich von mir nämlich wieder deutlich dunkler. Ich wechselte wieder in den Tempomodus. Versuchte schneller nach Süden zu gelangen, als die Wolke nach Nord-Westen. Ich kam noch 3 Dörfer weiter und dann fing es an zu regnen. Ich setzte mich an der Dorfkirche unter einen Baum und wollte den kurzen Schauer abwarten.
Plötzlich kam ein älterer Mann auf mich zu und fragte mich ob ich mich nicht bei ihm unterstellen möchte. Ich willigte ein und er führte mich zu seinem Haus. Dort konnte ich mich in einem Carport unterstellen. Gerade noch rechtzeitig, bevor der Regen ziemlich stark wurde. Ich unterhielt mich mit ihm, teils wieder mit Händen und Füßen. Ich hatte aber das Gefühl, das wir uns gut miteinander verständigen konnte. Ich war so mutig und fragte nach einem gemeinsamem Selfi. Er willigte ein, so das ich nun ein Foto habe, welches mich immer an diese Begegnung erinnern wird.
Da er einen Termin hatte, verabschiedete er sich und wollte mit seinem Auto los. Seinen Platz nahm dann seine Tochter ein, die zu meiner Überraschung sogar Deutsch konnte. Ich erzählte nochmals von wo ich komme und wohin ich noch möchte. Sie bot mir Essen und Trinken an, welches ich allerdings ablehnte. Es war ja nicht mehr weit zum Hotel und der Regen nach 10 Minuten auch schon vorbei.
Als ich weiter fuhr, stellte ich zu meiner Verwunderung fest, das die Straßen nur für circa 5 Kilometer nass waren. Danach war alles trocken. Dort hatte es nie geregnet. Ohne meine Maispause hätte ich es also ohne Regen geschafft. Aber ich hätte auch die netten Leute nicht kennengelernt und ich hätte jetzt hier nichts zu berichten gehabt. Ich war froh, das alles so geschah, wie es geschehen ist. Ich mag solche Erlebnisse.
Der restliche Weg verlief ohne weitere Vorkommnisse. Ich fuhr über kleine Feldwege, teils direkt an der Saône. Dort sah ich auch wieder Anzeichen vom letzten Hochwasser. Pflanzen und auch der Weg waren voller Schlamm, welcher allerdings komplett trocken gewesen ist. Das Wetter war mittlerweile traumhaft schön. Ich beeilte mich aber trotzdem. Ich wollte ins Hotel und in den nahegelegenem Supermarkt. Vorräte auffüllen.
Mein Hotel war ein sehr einfaches Hotel. Alles wirkte etwas in die Jahre gekommen. Die Betreiber waren aber sehr nett und sehr bemüht. Ich entschied mich allerdings trotzdem, nicht im Restaurant zu essen. Ich holte mir mein Abendessen aus dem Supermarkt. Wieder mit einer kleinen Flasche Wein. Dieses mal allerdings mit Schraubverschluss. Man lernt ja aus seinen Fehlern. Einziger Nachteil des Hotels: Das WLAN funktionierte nur auf dem Flur vor dem Zimmer. Im Zimmer war es nicht in Reichweite. Aber das war mir egal. Ich genoss den Luxus eine Badewanne zu haben. Zusammen mit dem Wein war das ein wunderschöner Tagesabschluss.
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