Die erste Nacht in den Niederlanden war super. Ich konnte richtig gut schlafen, keine Aufregung und auch keine Träume plagten mich. Irgendwie fühlte es sich auch so an, als wenn man bereits einen Tag gefahren sei. Der bevorstehende Start war eigentlich nur noch eine nebensächliche Pflichtveranstaltung.
Obwohl ich uns den Wecker recht zeitig gestellt hatte, wurde es am Morgen dann doch relativ stressig. Frühstück essen, Anziehen, Sachen verstauen und Trinkflaschen vorbereiten waren dann doch relativ viele Aufgaben, die erledigt werden mussten. Außerdem hatten wir noch relativ viel Essen vom Vortag übrig, das dann schnell in einem unserer kleinen Rucksäcke verstaut wurde. Aber trotzdem hatte ich noch Zeit für Blödsinn. Auf dem Flur im Hotel stand eine Mischung aus Holzfahrrad und Schaukelpferd. Da musste ich natürlich rauf.
Der Start sollte um 8 Uhr am Cafe DE PROLOOG erfolgen, also fuhren wir dort wieder hin. Unterwegs trafen wir unsere erste Entscheidung. Etwa 150km nach dem Start lag ein Nationalpark auf dem Track, für den man 10 Euro Eintritt zahlen musste. Alternativ hatte der Veranstalter eine „Umleitung“ geplant, die um den Park herum führte. Diese war etwa 3 km länger. Wir entschieden uns dafür außen herum zu fahren und wollten die gesparten 20 Euro in Essen investieren. Kuchen für Maren … eigentlich immer die bessere Wahl.
Das Briefing an sich war leider relativ öde. Es fand draußen statt. Alle Fahrer bereits startbereit mit ihren Rädern im Halbkreis um Michael Wacker, der ohne Mikrofon in den hinteren Reihen leider nur schlecht bis gar nicht zu verstehen war. Einzige Information die ich mitnahm war, dass die Tracker Strom für 5 Tage hatten und dann mit einem Mini-USB-Kabel aufgeladen werden müssten. Aber da niemand so ein Kabel dabei hatte, sollten die Tracker unterwegs vom Orga-Team getauscht werden.
Die letzten Worte von Michael verstand ich wieder. Er wünschte uns viel Glück und schon rollten die ersten Fahrer. Es ging los. Wir starteten wie wir es uns vorgenommen hatten hinten. Gut gelaunt fuhren wir sogleich die erste kleine Steigung hoch. Die Straße war eng und voll mit den knapp 120 Radfahrern. Zum Glück verteilten sie sich relativ schnell.
Ohne uns groß abzusprechen legten wir die Geschwindigkeit fest mit der wir durch die Landschaft düsten. Im Vergleich zu anderen Fahrern waren wir deutlich schneller unterwegs. Um es vorweg zu nehmen: das blieb auch in der restlichen Woche so. Aber gerade nach dem Start überholten wir immer wieder Fahrer. Dafür machten wir dort, wo es schön war einfach so eine kleine Pause. Machten Fotos und aßen etwas. Währenddessen wurden wir natürlich wieder überholt, so dass das Spielchen dann von vorne begann.
Das Wetter war prima. In jeder Mini-Pause zogen wir einen Teil unserer Klamotten aus, so dass wir am Ende wirklich in Kurz/Kurz fuhren. Und auch hier kann ich vorwegnehmen: Es war das einzige Mal auf der gesamten Tour.
Von Ed Bos, einem der Teilnehmer mit dem ich mich im Vorfeld schon per Chat ausgetauscht hatte, wusste ich, dass wir am ersten Tag noch einen weiteren Anstieg fahren mussten: den Posbank. Er lag in einem weiteren Nationalpark, welcher sehr schön anzusehen war. Von hinten überholte uns eine Gruppe Rennradfahrer, alle mit gleichem Trikot. Wir ließen sie ziehen. Im oberen Teil des Anstiegs wurden sie irgendwie langsamer und es passierte was passieren musste. Ich war in Gedanken versunken und plötzlich befand ich mich in mitten der Gruppe. Aber Maren nicht. Als ich das bemerkte liess ich mich zurückfallen und durfte mir gleich einen Anschiss abholen: „Hey Marc. Ich dachte du bist der Vernünftigere von uns beiden. Warum fährst du mit der niederländischen Halbprofi-Mannschaft?“ Ich war zum ersten Mal sprachlos, hoffte aber insgeheim darauf, dass ich mich für einen Profi-Vertrag empfohlen hatte. Ich war ja schließlich mit Gepäck unterwegs. Um es vorweg zu nehmen: Bisher hat noch kein Sponsor bei mir angeklopft.
Am Nachmittag entschieden wir, uns ein Hotel für den Abend zu suchen. Die Wahl fiel auf das Hotel Jachtlust, welches nach etwa 280km am Track lag. Wir riefen an und fragten ob sie ein Zimmer für uns haben und erhielten direkt eine Zusage. Ich war erstaunt, wie einfach das doch war. So konnte es ruhig weitergehen.
Ich hatte relativ viel Arbeit in unsere RATN Vorbereitung investiert. Ich hatte den Track bei Google-Maps hochgeladen und mich dann Stück für Stück an dem Track entlang gescrollt. Dabei hatte ich Hotels, Imbisse, Supermärkte und auch Sehenswürdigkeiten markiert. Bei den Hotels hatte ich sogar davor geschrieben, bei welchem Kilometer diese am Track lagen. Das machte uns die Hotelwahl total einfach, da wir immer wussten, wie weit es noch bis zum nächsten Hotel war.
Oft war ich bei der Vorbereitung so in Vorfreude, dass ich mir auch den einen oder anderen Ort auf Streetview angeschaut habe. Dabei stieß ich auf ein Hanffeld, welches ich natürlich sofort Maren zeigte. Wir überlegten uns schon, wie wir dort am besten dumme Selfies machen könnten. Allerdings sind wir dann für Drogen doch zu dumm. Hanf verträgt keinen Frost und ist daher Anfang Mai noch nicht draußen zu finden. Somit war unsere Suche erfolglos, also müssen wir wohl im Sommer noch einmal fahren.
Kurz vor Enschede passiert nochmal etwas total Unerwartetes. Uns kam ein Rennradfahrer entgegen. Der dann auch noch grüßt. Wir hatten den ganzen Tag über jeden Radfahrer gegrüßt, wie wir es aus Berlin gewohnt sind. Außer Citybikeler grüßte niemand zurück. Jetzt aber rief der Rennradfahrer sogar noch meinen Namen.
Es war Mark Humme, der uns entgegen gekommen war. WTF. In falscher Richtung!? Wir waren durcheinander. Meine Theorie, das Mark von seiner eigenen Leistung so beeindruckt war, das er sie lieber nach unten korrigieren musste, fand bei Maren keinen Zuspruch. Sie meinte, dass er vielleicht aufgegeben habe. So richtig verstehen konnten wir es zu dem Zeitpunkt allerdings nicht.
Kurz darauf erreichten wir Enschede. Da der Track direkt durch das Zentrum ging, entschieden wir uns spontan noch etwas zu essen. Da das Hotel bereits reserviert war, war es ab dem Zeitpunkt völlig egal wie schnell oder langsam wir fahren würden. Der Endpunkt für den Tag war festgelegt. Nach dem Essen füllten wir unsere Rucksäcke in einem Supermarkt mit Lebensmitteln, da uns klar war, dass wir das Hotel erst nach Küchenschluss des Restaurants erreichen würden. Außerdem hatten wir ja bereits eine Kleinigkeit warm gegessen.
Der restliche Weg bis zum Hotel verlief unspektakulär. Nach 250km mussten wir einen neuen Track laden. Ich hatte uns den Gesamttrack in 250km Abschnitte eingeteilt, damit wir nie auf die mega große Gesamtzahl gucken mussten. Für den Kopf waren die letzten Kilometer so sehr angenehm. Wahrscheinlich waren wir deswegen auch wieder zu schnell unterwegs. Aber der Gedanke an einen baldigen „Feierabend“ war verlockend.
Im Hotel konnten wir unsere Räder in einer Garage unterstellen. Wir mussten also sofort alles was wir für die Nacht brauchen würden vom Rad mitnehmen. Nachdem die Garage zu war kamen wir nicht mehr an die Räder. Da zeigte sich mir, dass Maren beim Packen weiter gedacht hatte als ich. Ich hatte alles thematisch sortiert in kleine Tütchen gepackt und dann Probleme alles mit 2 Händen zu tragen. Maren hatte eine einfache Mülltüte dabei, in die sie ihre einzelnen Beutel verstaute … clever.
Im Zimmer entwickelten wir direkt eine Tradition, die wir die ganze Woche über zelebrieren sollten. Maren ging als erstes duschen und ich packte in der Zwischenzeit unsere Rucksäcke aus. Anschließend machte ich ein Foto von dem Lebensmittel-Berg. Nachdem ich dann auch duschen war, war das Zimmerpicknick dann freigegeben. Mega schön!
Strava – Ich: https://www.strava.com/activities/2334591525
Strava – Maren: https://www.strava.com/activities/2334536903