Auch wenn ich im Urlaub war, hatte ich mir vorgenommen jeden Tag früh aufzustehen. Mein Wecker klingelte also um 6 Uhr, so wie er es auch tut, wenn ich arbeiten gehen würde. Für das Hotel in Straßburg war das allerdings zu früh. Viel zu früh. Frühstück gab es erst ab 8. Daher gab es für mich erst einmal nur Kekse. Ich packte meine Sachen und machte mich direkt auf dem Weg. Es regnete ganz leicht.
Ich war allein auf den Straßen unterwegs. Keine Fußgänger, keine Radfahrer und auch keine Autos. Mein Weg führte fast nur geradeaus. Ab und zu nur mal eine rote Ampel. So kam ich ganz entspannt durch die Vororte von Straßburg. Dann musste ich doch zwei oder drei Mal abbiegen und plötzlich war ich an einem Kanal. Dem Rhein-Rhône-Kanal. Dieser erinnerte mich stark an meinen Arbeitsweg. Nur der Weg neben dem Kanal war deutlich schmaler und länger. Viel länger.
Und trotzdem war der Weg nicht langweilig. Alle paar Kilometer kam ich an einer Schleuse vorbei. Bereiche mit spärlicher Vegetation und fast zugewachsenen naturnahen Ufern wechselten sich ab. In einem dieser zugewachsenen Bereiche entdeckte ich sogar einen Eisvogel. Hatte ich so noch nie gesehen. Die Freude war groß.
Kurze Zeit später klingelte mein Telefon. Verwundert nahm ich das Gespräch an. Es war das Hotel, in dem ich die Nacht verbracht hatte. Mein Zimmer war noch nicht bezahlt. Ich war davon ausgegangen, das ich bei der Buchung bereits mit der Kreditkarte gezahlt hatte. Dies war allerdings nur eine Vormerkung. So bezahlte ich dann mein Zimmer per Telefon. War dann allerdings irritiert, das die Zahlung in meiner Kartenabrechnung zweimal auftauchte. Der doppelte Eintrag verschwand erst ein paar Tage später.
Ich fuhr weiter am Kanal entlang, mit dem Zwischenziel Mühlhausen im Blick. Dort wollte ich gegen Mittag sein. Vorher durchquerte ich „Petite Hollande“. Gedanklich war ich bei meiner „Race around the Netherlands“-Teilnahme. Optisch hatte der Ort wirklich etwas von Holland. Die Festung. Der Burggraben. Die kleinen Häuser im Zentrum. Auch wenn es für ein Frühstück etwas spät war, hielt ich dort kurz an und kaufte mir ein paar Croissants.
Gegen Mittag war ich wie geplant in Mühlhausen. Also Mittagspause. Direkt am Track, der am Bahnhof vorbei führte, fand ich allerdings nichts. Da wir bei unserem Familienurlaub vor 2 Jahren bereits einmal in Mühlhausen übernachtet hatten, wusste ich, wie man vom Bahnhof ins Stadtzentrum gelangte. Dort fand ich in einer Seitenstraße dann auch einen chinesischen Imbiss.
So dachte ich zumindest. Koch und Verkaufspersonal waren jedenfalls asiatisch. Aber irgendwie gab es mehr Pommes als Nudeln. Ich hatte so meine Schwierigkeiten Essen zu bestellen. Die Speisekarte bestand ausschließlich aus Bildern und die waren durch die Zeit auch schon sehr verwaschen. Also bestellte ich mit Händen und Füßen und war gespannt was ich so bekommen würde.
Es gab dann Pommes (Schönen Gruß an Rafal) und frittiertes Fleisch. Ich denke das es Hähnchen war. Aber so richtig sicher war ich mir da nicht. Es hatte auf jeden Fall sehr gut geschmeckt. Saftig. Würzig. Schwer mit dem zu vergleichen was man von zu Hause so kennt.
Während ich dort aß suchte ich mir mein Hotel für die Nacht heraus. Ich wurde schnell fündig. Als ich nach der Hotelbuchung vom Handy aufschaute, sah ich das sich neben mir ein Mann gesetzt hatte, der irgendwie wie Nicolas Sarkozy aussah. Klar war er das nicht, aber ich war den ganzen Tag über stolz neben dem ehemaligen Präsidenten gegessen zu haben.
Nach der Pause ging es am Kanal weiter. Nun allerdings nicht mehr gegen den Wind nach Süden. Die neue Hauptrichtung ist Westen. Allerdings immer noch „Flussaufwärts“. Das konnte ich schön an den vielen Schleusen sehen. Ich kam vom niedrigeren Wasserstand und fuhr in Richtung des höheren Levels.
Das Wetter wurde schlechter. Es fing an zu regnen. Dabei sollte in Frankreich doch besseres Wetter sein. Regenjacke hatte ich an, aber trotzdem war ich hin und her gerissen, ob ich weiterfahren oder mich unterstellen sollte. Klatschnass war ich ja eh. Ich entschied mich dann kurzzeitig doch fürs unterstellen, da ich mir nicht sicher war ob meine Technik wirklich komplett wasserdicht verpackt war. Ich fand eine nette kleine Hütte am Wegesrand. Mit Büchern und etwas Spielzeug. Schlussendlich hielt ich es dort aber auch nicht lange aus. Allein rumsitzen und warten wurde auf Dauer ganz schön langweilig. Außerdem verstand ich bei den französischen Büchern eh kein Wort.
Im Regen traf ich auf einen weiteren Radfahrer, der ebenfalls im Bikepacking-Modus unterwegs war. Mutig sprach ich ihn an. Er war ebenfalls aus Deutschland. Welch ein toller Zufall. Er fuhr von Basel nach Dijon um dort an einer Veranstaltung teilzunehmen. Wir fuhren einige Kilometer gemeinsam und unterhielten uns. So war der Regen dann nur noch halb so schlimm.
Allerdings nur bis zu einer Unterführung, die baulich für regnerische Verhältnisse ungünstig ausgelegt war. Ich vorsichtig unter die Brücke und sah zu spät, das der Boden aus Metall war. In der Kurve rutschte ich quasi sofort aus. Sturz. Mist. Mein linkes Knie und meine linke Hand bluteten. Aber es tat nichts weh. Allerdings sah ich unterhalb von meinem Knie eine etwa golfballgroße Beule die mir Angst machte. Zweiter Tag und schon wieder überlegte ich, wie ich meiner Frau sagen würde, das ich bereits jetzt nach Hause komme. Diesmal allerdings nicht so abstrakt wie am Tag zuvor wegen der Weinflasche. Da ich mein Hotel schon gebucht hatte, fuhr ich erst einmal weiter.
Es hatte sich mittlerweile richtig eingeregnet und im Grunde war ich darüber ganz froh. Der Regen kühlte mein Knie und wusch das Blut weg. Kurze Zeit später war die Beule dann zum Glück auch wieder verschwunden. Ich war erleichtert. Die Wunde an meiner Hand wollte aber nicht aufhören zu bluten. Ich stopfte mir ein Taschentuch in den Handschuh um etwas Druck auszuüben. So bekam ich auch das Problem gelöst.
Sehr beeindruckt war ich von der Landschaft. Diese hatte sich komplett verändert. Während ich im flachen landwirtschaftlich geprägten Land losgefahren war, war ich nun in einer engen Schlucht. Links und rechts steile Berge und im Tal dazwischen die Doubs. Die Vorfreude auf den nächsten Tag war groß. Ich war gespannt was mich erwarten würde.
Im Hotel war ich etwas zu früh. Am Tag zuvor war um 19 Uhr die Rezeption bereits zu und hier öffnete sie erst zusammen mit dem Restaurant. Ich klopfte ans Fenster. Es dauerte etwas bis mir jemand öffnete. Mein Zimmer war das Venedig Zimmer. Venedig Bilder an den Wänden, Venedig Deko in den Schränken und auch Venedig Bettwäsche. Nicht das klassische Hotel weiß. Und ich mit meinem blutverschmiertem Knie. Meine Sorge war, das ich die Bettwäsche beschmieren könnte. Ich überlegte eine Weile: Pflaster oder kein Pflaster. Ging dann allerdings erst einmal im Restaurant essen und danach war das Knie auch trocken, so das sich die Frage nicht mehr stellte.
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