Der Morgen startete so, wie der Abend aufgehört hatte: mit dem letzten Schildkrötenbier. Fühlte sich irgendwie falsch an direkt nach dem Zähneputzen mit einem Bier zu starten, aber es war ja alkoholfrei. Wie auch mit den Süßigkeiten zum Frühstück: Unterwegs darf ich das. Außerdem ist ja niemand da, der mich daran hindert.
Frühstück gab es im Hotel. Das übliche süße Frühstück. Croissants, süßes Brot, Kaffee. Die Kombination hing mir mittlerweile zu den Ohren heraus. Kurz nach 7 Uhr saß ich dann bereits auf dem Rad. Die ersten Kilometer nervten etwas. Bundesstraße. Eine blendende tiefstehende Sonne. Zum Glück waren nicht so viele Autos unterwegs.
Ich erreichte die Seine. Klein und völlig unscheinbar. Ich machte während der Fahrt ein Foto. Zum Verweilen lohnte sich der Ort nicht wirklich. Mein Weg führte mich über kleine Landstraßen. Wie auch am Vortag waren hier kaum Autos unterwegs. Auf meinem Radcomputer bewunderte ich die 3 kleinen Anstiege, die an diesem Tag auf mich warteten. Da kein weiterer Fluss in Frankreich in Ost-West-Richtung verläuft, musste ich die Höhenmeter in Kauf nehmen.
Und schon war ich am Fuße des ersten der drei Hügel. Relativ schnell war ich dann auch oben. Eigentlich nicht weiter schlimm. Am zweiten Anstieg fing ich aber so richtig an zu fluchen. Die Straße wurde gerade frisch ausgebessert und mit einer zwei bis drei Zentimeter hohen Splitt-Schicht bedeckt. Im Gedanken war ich bereits am Reifenwechseln. Ich hoffte allerdings darauf, das die Straße gleich wieder besser werden würde. Wurde sie aber nicht. Mein Wahoo zeigte: „Biegen Sie in 10 Kilometer links ab“. Mist. So nahm ich Tempo raus, fuhr fast die ganze Zeit im Wiegetritt um mein Gewicht besser auf beide Reifen zu verteilen und versuchte dort zu fahren, wo die Autos schon etwas Splitt hinweggefegt hatten.
Ich erreichte den nächsten Ort. Hurra geschafft. Kein Splitt mehr. Die Straße war sauber. Es rollte gleich wieder viel besser. Kurz bremsen musste ich nur für eine Ziege, die mir direkt vor das Rad lief. Aber dann am Ortsausgangsschild: Wieder Splitt. Und mein Wahoo: „Biegen Sie in 10 Kilometer rechts ab.“ Mist.
Aber auch diese Kilometer meisterte ich ohne Panne. Der Weg wurde deutlich besser und ich fand einen weiteren Kanal. Allerdings sah dieser so aus, als wenn er nicht mehr benutzt werden würde. Das gesamte Wasser war voller Wasserpflanzen. Ich grübelte ein wenig, ob Schiffe dort überhaupt noch hätten lang fahren können, oder ob sich die Pflanzen um die Schraube wickeln würden. Ich sah jedenfalls kein Schiff. Und so erreichte ich im Nu Saint Dizier.
Nach Saint Dizier führte mich mein Weg links vom Kanal weg. Es folgte ein weiterer Teil mit reichlich Höhenmetern. Der erste Teil davon gefiel mir gar nicht. Er verlief parallel zu einer Autobahn. Ich fuhr hoch, runter, wieder hoch und wieder runter, während ich sah, das die Autos auf der Autobahn eine ebene Strecke hatten. Aber wenigstens lag kein Splitt.
Zum Glück folgte dann aber wieder eine meiner geliebten kleinen Landstraßen. Ich hatte meine Ruhe wieder. Und wieder fuhr ich durch eine Landschaft, die ich auf meiner Reise bisher noch nicht gesehen hatte. Gedanklich führte mich der Abschnitt zum Minecraft spielen, da ich eine Ortschaft namens „Void“ passierte. Für alle die das Spiel nicht kennen: In Minecraft wird die „Leere“ unterhalb der Spielwelt als Void bezeichnet. Wenn man dort hineinfällt, stirbt man zwangsläufig. Ich war alle todesmutig und überlebte es mit meinem Rad durchs Void zu fahren.
Meine Wasservorräte neigten sich dem Ende. Also war ich auf der Suche nach einer Möglichkeit diese wieder aufzufüllen. Aber wie im Void, gab es auch auf den kleinen Dörfern nichts. Ich staunte nicht schlecht, als ich dann einen öffentlichen Brunnen mit Trinkwasser fand. Die Chance nutzte ich natürlich um meine Flaschen aufzufüllen und auch um mich mit dem kühlen Nass frisch zu machen.
Von hinten näherte sich mir eine ältere Frau und sprach mich an. Ich verstand kein Wort und bat darum, ob sie es in Englisch wiederholen könne. Das wiederum verstand sie wohl nicht. Sie drehte sich um und zog mit ihrer Gießkanne davon. Argz. Ich empfand das als sehr unhöflich. Mit Händen und Füßen oder mit dem Google Übersetzer wäre bestimmt eine Konversation möglich gewesen. Aber so werde ich nun nie erfahren, was sie von mir wollte.
Ich war nun am Marne Rhein Kanal angekommen. Das Gelände wurde wieder ebener. Allerdings war der Weg nicht asphaltiert. Nach dem Splitt konnte mich der feste Kiesweg allerdings nicht aus der Ruhe bringen. Ich erreichte Toul. Den Ort, den ich mir eigentlich für die Nacht ausgesucht hatte. Aber da ich gerne einen Tag früher wieder in Karlsruhe ankommen wollte, wollte ich noch bis Nancy weiterfahren. Bis dahin waren es circa 35km. Und eben diese paar Kilometer entschieden quasi die Dauer meiner Radreise. Schon ulkig.
Ich erreichte die Mosel. Alles wieder flach. Einfache Kilometer warteten auf mich. Ich fuhr einen Bogen nach Süden und umfuhr so einen weiteren Hügel. Der Weg war sehr gut ausgebaut. Ich wollte noch einmal eine Pause machen, tat mich aber mal wieder schwer damit, eine Stelle auszuwählen. Und dort wo ich gerne anhalten wollte, weil dort zum Beispiel eine Parkbank stand, waren bereits andere Menschen. So fuhr ich einfach weiter.
Irgendwann ging das allerdings nicht mehr. Zum einen war mir mein rechter Fuß eingeschlafen und zum zweiten musste ich dringend überschüssiges Wasser loswerden. So hielt ich an einem Hinweisschild. Zog meine Schuhe aus und setzte mich am Ufer der Mosel ins Gras. Um dann direkt festzustellen, das ich in einem Ameisennest saß… Profi.
Die letzten 2 Kilometer zum Hotel überraschten mich dann doch ein wenig. Bergauf. Aber mal wieder richtig. Teilweise mit deutlich über 10 Prozent. Im kleinsten Gang kam ich aber irgendwie hinauf. Mein Hotel lag mal wieder richtig perfekt. Riesiger Supermarkt und auch mehrere Restaurants in direkter Nachbarschaft. Das Personal im Hotel nett und sprach auch bereits wieder deutsch. Bis Karlsruhe fehlte ja auch nicht mehr viel. Mein Rad bekam ein eigenes Zimmer, direkt neben der Rezeption. Meines lag 2 Etage höher.
Ich machte mich kurz frisch und ging dann in den Supermarkt. Den größten den ich auf meiner Reise betreten hatte. Ich war mir sicher, das ich dort alles bekommen würde…. Pustekuchen. Ich hatte Heißhunger auf Bockwurst. Ich konnte den ganzen Süßkram nicht mehr sehen. So lief ich durch den Markt und fand alles, nur eben keine Wurst. Ich gab auf, da ich im Markt nicht mehr Strecke zurücklegen wollte als auf dem Rad und suchte mir etwas anderes zu Essen aus.
Anschließend ging ich zu KFC essen und scheiterte mal wieder fast an der sprachlichen Barriere. Eigentlich wollte ich direkt am Eingang mein Corona Impfzertifikat vorzeigen. Interessierte dort aber niemanden. Bestellen musste ich an einem Automaten, an dem ich keine Möglichkeit fand die Sprache umzustellen. Und so scheiterte ich fast an der Frage nach meiner Kundenkarte. Ich probierte einfach alle Knöpfe durch, bis ich irgendwie weiterkam.
Abends im Hotelzimmer schaute ich mir die Karte an. Schaute auf die Orte, die ich besucht hatte und schaute auf das kleine Stück, welches noch fehlte. Ich fühlte mich, als ob ich meine große Reise bereits geschafft hatte. Es fehlten zwar noch 200 km, aber was waren schon 200km gegenüber den Teil, den ich bereits in den Beinen hatte. Mein Plan für den nächsten Tag: Ganz in Ruhe zu Ende fahren.